Mineralfunde im Allgemeinen als auch die Barytfunde im Besonderen bieten stets einen konkreten Anlass, sich mit den geologischen Voraussetzungen der Fundstellen auseinanderzusetzen. So gelangten die plutonischen Odenwaldgranite vor wahrscheinlich 350 Millionen Jahren an die Erdoberfläche. Diese geologische Basis des Odenwaldes wird sowohl im Laufe der Variszischen Gebirgsbildung (350 – 225 Millionen Jahre vor unserer Zeit) als auch der Alpinischen Gebirgsbildung im Tertiär (vor 65 – 2 Millionen Jahren) immer wieder gewaltigen Druck-, Zug- und Scherkräften ausgesetzt, so dass tiefe Risse im Tiefengestein des Odenwaldes auftreten. In diesen Rissen und Spalten vermögen dann hydrothermale Wässer aufzusteigen, die unter den extremen Druck- und Temperaturbedingungen in der Lage sind, das unter normalen Umständen nahezu unlösliche Bariumsulfat in heißen Lösungen bis an die Oberfläche zu transportieren. Die Barytschlucht stellt sozusagen den Austrittsbereich einer tiefen geologischen Spalte dar, in der das Bariumsulfat in Form von sehr reinen Barytkristallen beim Abkühlen auskristallisieren konnte.
Übrigens findet man
auch schon auf dem Anmarschweg zur Barytschlucht im Weiten Tal interessante
geologische Zeugen der Entstehung des Odenwaldes. Man kann dort – und das
ist einzigartig im Odenwald – dunklen Hornblendit am hangseitigen
Wegesrand finden. Hornblendit stammt sozusagen aus dem untersten
„Kaffeesatz“ des Odenwaldmagmas und besteht überwiegend aus Hornblende
sowie etwas Quarz und Feldspat (Quelle: Ausführungen von Herrn Michael
Fettel anlässlich einer geologischen Exkursion am 28.9.1997).
Baryt war Mitte des 19.
Jahrhunderts bis in die 20er Jahre des 20.Jahrhunderts einer der wichtigsten
abbauwürdigen Bodenschätze des Odenwaldes. Nicht nur bei Schriesheim
sondern vor allem auch im Revier Reichelsheim (Ober-Ostern und Ober-Kainsbach)
wurde in erheblichem Umfang Baryt abgebaut (s.a. die Dokumentation des
Barytabbaus im Regionalmuseum Reichelsheim), so dass es auch unter industriegeschichtlichen
und sozialgeschichtlichen Aspekten interessant erscheint, Quellenforschung
zum Barytabbau im Odenwald zu betreiben.
Die eigentliche Motivation des damaligen Barytabbaus war die Verwendung des hochreinen Odenwälder Baryts als Weißpigment, vor allem für die Produktion hochwertiger weißer Papiere. Anleitungen zur Barytaufbereitung für die Produktion von Barytpapier unter Schulbedingungen wurden bereits im Abschnitt 3.) beschrieben. An dieser Stelle sollen diese Anleitungen noch durch Anregungen ergänzt werden, die einen Eindruck von dem im Rahmen des Papierschöpfens verfügbaren Motivationspotenzials vermitteln können.
So lässt sich aus
Barytpapier originelles Briefpapier herstellen, das zudem noch durch interessante
Gestaltungsmöglichkeiten wie das Einschöpfen und Einschließen
von Gräsern, Blüten, Fotos, Initialen usw. eine sehr individuelle
Note erhalten kann. Auch die Herstellung von Grußkarten und Kuverts,
die Dekoration von Holzschachteln und Mappen – ob mit oder ohne Barytschlammzusatz
– sind interessante Anregungen zur Herstellung von Werkstücken, die
eine hohe Identifikation des „Schöpfers“ mit dem Unterricht und seinem
Produkt ermöglichen (vgl. hierzu die zahlreichen Gestaltungsanregungen
in dem Buch von Traudel Hartel, Papierschöpfen, Ravensburg 1993).
– Diese Werkstücke können dann auch immer wieder Anlass sein
zur erzählenden Mitteilung von deren Herstellungsgeschichte. Dabei
wird so mancher Zuhörer erstaunt sein, wenn er erfährt, dass
Lesefunde aus einer geheimnisvollen Schlucht im tiefen Odenwald am Anfang
der Erzeugung des Werkstückes standen.
Das handwerklich aufwendige, auf einer überholten historischen Technologie der Weißpapierherstellung beruhende Verfahren kann aber auch Anlass sein, sich sozusagen kontrastiv mit modernen Technologien der Herstellung von weißem Papier auseinanderzusetzen. – Übrigens ist unser selbstgeschöpftes Barytpapier ein schönes Beispiel für das problematische Verhalten von Säuren als langfristig papierzerstörende Stoffe. Da Säuren die Hydrolyse des zentralen Papierbestandteils Cellulose katalysieren , ist es von besonderer Bedeutung, alle Schwefelsäurerreste aus dem Bariumsulfatschlamm vor dessen Verwendung als Papierpigment auszuwaschen. In diesem Zusammenhang kann über eine Pufferung des Bariumsulfatschlamms mit Calciumcarbonat (Kreidepulver) einer späteren sauren Papierzersetzung vorgebeugt werden. Zur unterrichtlichen Behandlung des Thema Papier eignet sich auch Heft 7/41 der Zeitschrift Praxis der Naturwissenschaften, Papier – Zellstoff – Holz, 15. Oktober 1992, Aulis Verlag Deubner u. Co. KG Köln.