Der Gorbatschow-Effekt
Als Gorbatschow 1985 russischer
Regierungschef wurde, sah er sich sogleich mit einer Vielzahl
von kleineren und größeren Problemen konfrontiert. Kaum an der Macht
musste er sich mit dem schier unlösbaren Problem der schwierigen
Wirtschaftslage befassen. Aber Gorbatschow hatte Glück ! Bald hatten
sich die 100 besten Wirtschaftsfachleute der gesamten Sowjetunion bei
ihm eingefunden. Sofort machte sich Gorbatschow an die Befragung der
Experten. Zur freudigen Überraschung konnte bereits der erste Experte
Gorbatschow genau sagen wie die Zukunft für die Entwicklung der
russischen Wirtschaft zu gestalten sei. Sicherlich sei die Befragung
der weiteren Fachleute überflüssig. Aber in einem Rückgriff
auf alte Sowjettugenden entschloss sich Gorbatschow nach Lenins Maxime
"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" zu handeln und so
machte er sich daran noch den zweiten Experten zu befragen. Die
Überraschung für den russischen Regierungschef hätte allerdings
nicht größer ausfallen können, denn auch der zweite konnte ganz
genau die Zukunft vorhersagen und wusste exakt mit welchen Mitteln der
Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen sei. Einzig die Ratschläge
des zweiten Experten waren völlig anders als die des ersten
Ratgebers. Düsteres ahnend begann Gorbatschow den dritten, den
vierten, fünften, zehnten, zwanzigsten, fünfzigsten, schließlich
den hundersten der Wirtschaftsweisen zu befragen. Jeder hatte einen
anderen Plan für die Zukunft Russlands und jeder riet Gorbatschow
nicht den anderen Weisen zu glauben.
und so blieb Gorbatschow nichts anderes übrig als festzustellen:
»Es gibt keine einfachen Lösungen für sehr komplizierte Probleme.
Man muss den Faden geduldig entwirren, damit er nicht reißt.«